Netzpolitik & Jugendarbeit? Neuneinhalb mal ja, ja, ja!

Symbolbild für Netzpolitik und die Relevanz für Jugendarbeit

Digitalisierung als Politikfeld kommt in der Jugendarbeit zu selten vor. Dabei sind Gesetze mit Digitalbezug und die Gestaltung digitaler Lebensumgebungen ein wichtiges jugendpolitisches Anliegen. Um mehr Jugendarbeiter:innen davon zu überzeugen, haben wir einen kurzen Einstieg in das Thema geschrieben.

Repräsentation

Junge Menschen nutzen Digitale Medien und Technologien im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen in einem höheren Maße und häufig mit einem tieferen Verständnis, sind aber in Gesetzgebungs- und Gestaltungsprozesse rund um das Internet kaum eingebunden. Diese werden häufig von Menschen gestaltet, die schon aufgrund ihres Alters einen fundamental anderen Zugang zu Digitalen Medien besitzen.  Dieses Repräsentations- und Beteiligungsdefizit zu adressieren, sollte ein Ziel von Jugendarbeit sein.

Digitale Jugendkultur

Digitale Jugendkultur und Urheberrecht passen nicht immer zusammen. Spätestens seit den Protesten im Frühjahr 2019, wo sich vor allem junge Menschen gegen die EU-Urheberrechtsreform stellten, ist das auch in eine breitere Öffentlichkeit vorgedrungen. Memes, Gifs und andere Remixpraktiken sind selbstverständlicher Teil des Alltags junger Menschen. Waren diese schon vorher in einem rechtlichen Graubereich, könnte der Einsatz von Upload-Filtern der digitalen Jugendkultur einen herben Schlag versetzen. Ein alltagstaugliches Recht auf Remix oder eine „Fair-Use“-Regelung, wie etwa in den USA, ist ein wichtiges jugendpolitisches Anliegen.

Anonymität

Immer wieder geistert sie durch die Debatten, die Klarnamenpflicht. Junge Menschen sind eine vulnerable Gruppe, die Soziale Medien unter anderem auch dafür nutzt, sich über höchst persönliche Themen wie beispielsweise Sexualität, Identität, Rassismuserfahrungen etc. auszutauschen. Die immer wieder aufkeimende Debatte um eine Klarnamenpflicht betrifft junge Menschen also im Besonderen, weil ihnen Anonymität im Internet erst ermöglicht, eigene Unsicherheiten zu überwinden und sich vor Anfeindungen sowohl aus dem direkten Umfeld als auch durch Dritte zu schützen.

Algorithmen

Algorithmen prägen jetzt schon viele Lebensbereiche. Das ist in vielen Fällen sinnvoll, beispielsweise wenn man dadurch neue Musiker:innen auf Spotify kennenlernt. Es kann aber auch problematisch sein, denn Algorithmen sind nicht neutral. So kam es 2020 in England zu Jugendprotesten, weil sich junge Menschen aufgrund der Notenvergabe per Algorithmus ungerecht behandelt sahen.

Datenschutz

Besonders junge Menschen müssen sich noch sehr lang mit mit ihren Datenspuren im Netz auseinandersetzen. Zwar ist mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung schon ein guter Grundstein gelegt, aber es ist immer noch zu kompliziert, sich beispielsweise lange Nutzungsbedingungen durchzulesen und zu verstehen. Oder auch die Privatsphäreeinstellungen richtig zu konfigurieren. Deshalb wären Privacy by Design oder Privacy by Default wichtige Ziele, mit denen sich der Jugendbereich solidarisieren sollte.

Offene Daten

“Offene Daten nützen, private Daten schütze!” – so lautet der Leitsatz der Open-Data-Bewegung. Es geht darum, dass beispielsweise von staatlicher Seite erhobene Daten frei zugänglich gemacht werden. Diese sind häufig grundlage für zivilgesellschaftliches Engagement. Wenn Du in deinem Jugendclub beispielsweise ein Umweltprojekt machen möchtest, kann es hilfreich sein, das eigene Anliegen mit Daten zu unterfüttern. Einen guten Einblick wie das geht und warum das (auch für den Jugendbereich) wichtig ist, bekommst du bei der Datenschule.

Open Source und offenes Wissen

“Public Money, public code!” Unter diesem Slogan setzt sich die Free Software Foundation Europe dafür ein, dass von der öffentlichen Hand bezahlte Softwareprojekte quelloffen und kostenfrei zur Verfügung stehen. Ein für Anwendungen, aber auch für Bildungsmaterialien, Bilder, Texte etc. nicht nur an Schulen oder Universitäten wichtiges Thema. Auch die außerschulische Jugendarbeit kann davon profitieren.

Netzausbau

Zugang zu (schnellem) Internet ist in Deutschland immer noch nicht flächendeckend gewährleistet. Besonders für junge Menschen, die auf dem Land ohnehin schon weniger Angebote haben, ist das ein Nachteil. Dabei geht es nicht nur (aber natürlich auch!) um TikTok, YouTube und Whatsapp, sondern einfach um einen ungehinderten Zugang zu Information und Bildung.

Gute Podcasts

Einen guten Einstieg rund ums Thema Netzpolitik bietet u. a. eine Reihe außerordentlich hörenswerter Podcasts. So z.B.  Logbuch Netzpolitik, Netzpolitik Podcast, Breitband und  Data & Society. Und für diejenigen, die mit Podcasts noch nicht ganz warm geworden sind, gibt es unter anderem (und hier kommt der neuneinhalbte Grund) bei netzpolitik.org und der Süddeutschen Zeitung auch etwas zu lesen. Die großartige NGO GFF – Gesellschaft für Freiheitsrechte leistet ebenfalls wichtige Dinge in diesem Themenfeld.


Foto Credits: Foto von Thomas Wiegold auf Flickr, CC BY-SA 2.0